Sea Hero Quest: Demenz-App liefert erste Ergebnisse

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Drei Millionen Menschen in 193 Ländern haben es bisher gespielt: Das mobile Spiel Sea Hero Quest, mit dem die Telekom im Mai 2016 an den Start ging. Mit der App wollen Wissenschaftler das Orientierungsverhalten gesunder Menschen untersuchen, um so Rückschlüsse auf die Entstehung von Demenz zu ziehen. Jetzt präsentierten die Forscher erste Ergebnisse.

Was normalerweise Dekaden gedauert hätte, haben Forscher mit Hilfe der Spiele-App Sea Hero Quest, bei der sich Vater und Sohn mit einem Boot in verschiedenen Regionen des Meeres zurechtfinden müssen, innerhalb weniger Monate geschafft: Auf Basis der Spielergebnisse entstand die bisher größte globale Datenbank zum räumlichen Orientierungsvermögen von Menschen jeden Alters und Geschlechts. Ziel ist es, die Demenzforschung mit Hilfe dieser Informationen voranzubringen und so erste Anzeichen der Krankheit früher zu erkennen und entsprechende Therapien zu entwickeln.

Orientierungsfähigkeit nimmt früh ab

Hugo Spiers vom University College London und Michael Hornberger, Professor für Demenzforschung an der Universität von East Anglia, arbeiten mit ihren Teams derzeit an der Analyse der erspielten Daten. Erste Etappe ihrer Auswertung: die Ergebnisse des „Leuchtraketen-Levels“ von Sea Hero Quest. Hier muss der Spieler eine Leuchtrakete zu dem Punkt zurückschießen, an dem er ursprünglich gestartet ist. Der Hintergrund: Schwindet die Fähigkeit, sich räumlich zu orientieren, könne das ein erstes Signal für Demenz sein, erklärt Hornberger. „Deshalb ist es von enormer Bedeutung, dass wir mehr über die räumlichen Navigationsfähigkeiten des Gehirns herausfinden und so verstehen, welche Fähigkeiten sich bei beginnender Demenz verschlechtern.“ Die ersten von den Forschern gesammelten Ergebnisse der Leuchtraketen-Aufgabe zeigen, dass die Orientierungsfähigkeit eines Menschen nicht erst im Alter, sondern schon ab dem 19. Lebensjahr kontinuierlich abnimmt. Während 19-Jährige bei Sea Hero Quest mit einer Trefferquote von 74 Prozent exakt ins Ziel fanden, stimmte das Richtungsgefühl von 75-Jährigen Spielern im Schnitt nur noch bei 49 Prozent. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass Gehirnregionen für räumliche Orientierung anfälliger für Demenz zu sein scheinen als jene für das Erinnerungsvermögen – dessen Verlust ebenfalls ein wichtiger Indikator für die Erkrankung ist.

Ein weiteres Ergebnis: Männer und Frauen wenden unterschiedliche Navigationsstrategien an. Gibt es keine oder nur wenige visuelle Orientierungsanker, schneiden Männer besser ab. Geht es darum, sich eine Karte einzuprägen und danach zu navigieren, können Frauen sich leichter orientieren. Auch regionale Unterschiede deuten sich nach den ersten sechs Monaten Forschungsarbeit an: Ganz an der Spitze stehen bei der Orientierungsfähigkeit Spieler aus Lesotho. In Europa schneiden Menschen in skandinavischen Ländern besonders gut ab.

Weiterentwicklung geplant

Im nächsten Schritt werden die Wissenschaftler auch Faktoren wie Bildungsstand, Behändigkeit, Selbsteinschätzung des räumlichen Orientierungsvermögens, Wohnumgebung in Kindheit und Jugend, Schlafdauer pro Nacht und Wegezeiten pro Tag analysieren. Anhand dieser Ergebnisse lassen sich Diagnoseinstrumente dann noch zielgerichteter und verlässlicher entwickeln. Nach Einschätzung der Experten könnte es in zwei Jahren soweit sein.

Derzeit arbeiten die Forscher an der Weiterentwicklung der Spiele-App Sea Hero Quest, um künftig auch den Orientierungssinn von bereits an Demenz erkrankten Patienten messen zu können. „Das wird sehr wichtig für die Diagnose, aber auch für klinische Studien, die wir in Zukunft durchführen“, sagt Professor Hornberger. Mithilfe der Patientenversion wollen die Wissenschaftler bereits im Frühstadium der Demenz den weiteren Verlauf der Krankheit prognostizieren. Dafür vergleichen sie die Werte der Patienten mit den aus dem Spiel generierten Normdaten. Besonders relevant sind diese Informationen für den Einsatz von Medikamenten, die den Krankheitsverlauf verlangsamen sollen.

Neue Wege in der Forschung

„Eine so komplexe gesundheitliche Herausforderung wie Demenz erfordert innovative Wege in der Forschung“, sagt Hilary Evans, Geschäftsführerin von Alzheimer’s Research UK. „Das Engagement der Deutschen Telekom zeigt, dass vorwärtsdenkende Partner jenseits des traditionellen Forschungsuniversums einzigartig und wirkungsvoll ihre Stärken einbringen können.“ Evans Vorschlag: „Die Datenmenge, die sehr schnell durch ‚Sea Hero Quest‘ generiert wurde, sollte andere Konzerne zum Nachdenken anregen, was sie zur Demenzforschung beitragen können – oder zur Lösung eines der vielen anderen dringenden medizinischen Probleme.“ „Die ersten Ergebnisse zeigen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben“, bestätigt Axel Wehmeier, Geschäftsführer der Telekom Healthcare Solutions. „Forschung funktioniert am effizientesten übergreifend und vernetzt.“

Die Analyse der anfallenden Daten aus dem mobilen Spiel Sea Hero Quest erfolgt über die Cloud-Infrastruktur der Telekom. Die anonymen Daten der Spieler werden in einem Hochsicherheitsrechenzentrum in Deutschland gespeichert und Forschern zur Verfügung gestellt. Zweimal pro Sekunde wird die Position eines Spielers ermittelt und ins Rechenzentrum gesendet – entweder live oder bei einem Offline-Spiel am Ende einer Session als Datenbündel. Die Serverkapazitäten sind skalierbar und können unvorhersehbare Lastspitzen problemlos bewältigen – eine wichtige Eigenschaft, da sich nicht vorhersagen lässt, wie viele Spieler die App gleichzeitig nutzen. Die Telekom Cloud war die Voraussetzung, um das Spiel entwickeln zu können: Denn Wissenschaftler, Spieledesigner und Programmierer arbeiteten fünf Monate lang parallel an mehreren Standorten rund um den Globus. Dank der Cloud konnten sie Daten in Echtzeit bearbeiten und austauschen. So entstand ein Spiel, das nicht nur den Spielern Spaß macht: „Diese Art von ‚Game Thinking’, sagt Max Scott-Slade, Game Design Director bei Glitchers, „kann die Forschung massiv unterstützen.“

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